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Qualität der meisten Demenz-Apps ist unzureichend

Qualität der meisten Demenz-Apps ist unzureichend

Aktuelle Forschungsergebnisse zu Digitalen Gesundheitsanwendungen in Deutschland

Gedächtnistrainings, Übungen zur Gehirnfitness, Demenz-Früherkennungstests oder Organisationshilfen für den Pflegealltag: Das Angebot von Apps für Menschen mit Demenz (MmD) und ihre pflegenden An- und Zugehörigen ist vielfältig. Ein Forschungsteam der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) und des Digitalen Demenzregisters Bayern (digiDEM Bayern) hat erstmals deutschsprachige Apps für MmD und für pflegende An- und Zugehörige auf wissenschaftliche Evidenz und Nutzerqualität bewertet und kommt zu zwei ernüchternden Ergebnissen. Für die meisten Demenz-Apps, die auf dem sogenannten Selbstzahlermarkt zu haben sind, gibt es keine wissenschaftlichen Belege für deren Wirksamkeit. Zudem reichen viele Demenz-Apps über eine mittelmäßige Nutzerqualität nicht hinaus.

In Sachen Digitalisierung des Gesundheitssystems hat Deutschland massiven Nachholbedarf. Gleichzeitig erfreuen sich Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) immer größerer Beliebtheit. Sie lassen sich in App-Stores bequem herunterladen und unabhängig von Ort und Zeit benutzen. „Über eine mittelmäßige Gesamtqualität reichen viele der Demenz-Apps nicht hinaus“, sagt Michael Zeiler vom Lehrstuhl für Medizinische Informatik der FAU und wissenschaftlicher Mitarbeiter im Projekt Digitales Demenzregister Bayern (digiDEM Bayern). Das Ziel der Studie war es, den Nutzen deutschsprachiger, mobiler Gesundheitsanwendungen für Menschen mit Demenz und deren pflegende An- und Zugehörige zu bewerten.

Die Beurteilung der Nutzerqualität erfolgte dabei mit dem international anerkannten Bewertungsinstrument MARS-D („Mobile App Rating Scale“, deutsche Version). Kriterien für die Nutzerqualität waren unter anderem Funktionalität, Ästhetik, Informationsgehalt und Fragen zur Patientensicherheit und Güte des therapeutischen Angebots. „Der Bereich der Patientensicherheit erhielt sogar die niedrigste und damit schlechteste Bewertung“, erläutert Medizininformatiker Michael Zeiler. „Dies betrifft Fragen zu möglichen Risiken und schädlichen Effekten wie etwa falsche Rückmeldungen und unkorrekte Informationen. “

Wirksamkeit vieler Apps nicht wissenschaftlich belegt

Des Weiteren untersuchten die Forschenden rund um Michael Zeiler die wissenschaftliche Evidenz von insgesamt 20 Gesundheits-Apps. Auch hier enttäuschten viele der vermeintlichen „digitalen Helfer“. „Die Wirksamkeit der meisten Demenz-Apps ist überhaupt nicht wissenschaftlich belegt. Wenn für derartige Demenz-Apps ohne Wirksamkeitsbelege Geld verlangt wird, so ist das ‚digitale Kurpfuscherei‘“, erläutert der Neurologe und Gesundheitsökonom Prof. Dr. Peter Kolominsky-Rabas. Nur zu sechs Apps, also bei 30 Prozent, lagen überhaupt Studien vor. Umgekehrt haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler festgestellt: Über Anwendungen, die in der Qualitätsbewertung einen guten Wert erreichten, wurden häufig auch wissenschaftliche Artikel veröffentlicht.

Für mehr Transparenz und Aufklärung in der Bevölkerung

„Je besser Gesundheits-Apps erforscht sind, desto besser gelingt die Gesundheitsversorgung und desto transparenter gestaltet sich der Markt der Digitalen Gesundheitsanwendungen“, weiß Michael Zeiler. Bis auf wenige Ausnahmen zählen Gesundheits-Apps nicht als Medizinprodukte. Eine App muss zunächst ein Prüfverfahren durchlaufen, um vom Bundesamt für Arzneimittel- und Medizinprodukte (BfArM) als Digitale Gesundheitsanwendung in das entsprechende Verzeichnis aufgenommen zu werden. Auf diese Weise soll die Transparenz auf dem Markt gesteigert werden, welche Anwendungen die Anforderungen an Sicherheit, Funktionstauglichkeit, Qualität, Datenschutz und Datensicherheit tatsächlich erfüllen. „Der positive Versorgungseffekt ist nicht immer nachgewiesen. Wir fordern deshalb dringend, eine regelmäßige Qualitätsüberprüfung der Gesundheits-Apps nach strengen wissenschaftlichen Kriterien gemäß internationaler Standards vorzunehmen“, betont der Co-Autor der Studie, Prof. Kolominsky-Rabas.

Demenz-Apps in vier Kategorien

Die untersuchten Apps haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in vier Kategorien eingeordnet. Die Kategorie Informationen umfasst Apps, die Menschen mit Demenz und ihren pflegenden An- und Zugehörigen unterschiedliche Informationen über die Erkrankung zur Verfügung stellen. In der Kategorie Kognitives Training & Spiele finden sich Anwendungen, deren Hauptziel darin liegt, die kognitiven Fähigkeiten des MmD zu fördern und dadurch den kognitiven Abbau zu verlangsamen. Die pflegenden An- und Zugehörigen erhalten teilweise Trainingsideen, die ohne digitale Anwendungen gemeinsam durchgeführt werden können. Die Apps der Kategorie Screening haben das Ziel, mithilfe unterschiedlicher Tests kognitive Beeinträchtigungen festzustellen und den Anwendern bei einem entsprechenden Verdacht eine Arztkonsultation vorzuschlagen. In der Kategorie Unterstützungsmaßnahmen sind Anwendungen zusammengefasst, die den MmD oder deren pflegende An- und Zugehörige im Alltag unterstützen, indem zum Beispiel in einem Chatroom Bilder und Ereignisse miteinander geteilt werden können.

Webinar-Tipp

Für alle, die sich für Demenz-Apps interessieren, findet am Dienstag, 28. März 2023, von 11.00 bis 11.45 Uhr unter dem Titel „Hilfe aus dem Appstore – Evidenz von Apps für Menschen mit Demenz und pflegende An- und Zugehörige“ ein digiDEM Bayern Science Watch LIVE Webinar statt. Es referiert Michael Zeiler, der Erstautor der Studie. digiDEM Bayern bittet hierzu um Anmeldung.

Über digiDEM Bayern

digiDEM Bayern baut ein digitales Demenzregister für Bayern auf, um den Langzeitverlauf der Erkrankung besser zu verstehen und die Versorgungssituation von Menschen mit Demenz und deren Angehörigen in ganz Bayern zu verbessern. Dafür werden Menschen mit leichten kognitiven Beeinträchtigungen oder Demenz und ihre pflegenden Angehörigen zu ihrer Situation systematisch befragt.

Darüber hinaus entwickelt digiDEM Bayern digitale Angebote für Menschen mit kognitiven Einschränkungen und Demenz sowie für pflegende Angehörige und ehrenamtliche Helferinnen und Helfer. So gibt es zum Beispiel die „Angehörigenampel“, einen kostenlosen, anonymen Selbsttest, der pflegenden Angehörigen mittels gezielter Fragen den Grad ihrer persönlichen Belastung anzeigt und ihnen damit einen Anstoß zur Veränderung der Lebenssituation gibt. Zu den weiteren digitalen Angeboten gehören unter anderem ein Hörtest, Live-Webinare inklusive Mediathek und der Science-Watch-Newsletter.

digiDEM Bayern ist ein interdisziplinäres Forschungsprojekt der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, des Universitätsklinikums Erlangen und des Innovationsclusters Medical Valley Europäische Metropolregion Nürnberg. Gefördert wird das Projekt vom Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege (StMGP) im Rahmen des Masterplans „BAYERN DIGITAL II“.

Quelle: uni | mediendienst | forschung Nr. 15/2023

Weitere Informationen:

Ilona Hörath
Digitales Demenzregister Bayern – digiDEM Bayern
0163 8838845
ilona.hoerath(at)fau.de

Verwandte Links

Studie
Wissenschaftliche Evidenz und Nutzerqualität von Mobile-Health-Anwendungen für Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen und deren Angehörige

Anmeldung
digiDEM Bayern Science Watch LIVE Webinar