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Wenn mütterlicher Stress Spuren hinterlässt

Wenn mütterlicher Stress Spuren hinterlässt

Längsschnittstudie gibt Aufschluss über den Zusammenhang von psychischen Belastungen während der Schwangerschaft und der kindlichen Entwicklung

Wer wir sind und was wir werden, hängt maßgeblich von unserer Umgebung ab. Schon das vorgeburtliche Leben eines Kindes prägt seine spätere Entwicklung. Wie sich etwa psychische Belastungen einer Schwangeren auf ihr Kind auswirken, das haben Erlanger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in einer Längsschnittstudie untersucht. Über einen Zeitraum von 15 Jahren haben sie Mütter und ihre Kinder bis ins Jugendalter im Rahmen der Studien FRAMES und FRANCES fortlaufend begleitet. Ihre Ergebnisse haben die Forschenden der Kinder- und Jugendabteilung für Psychische Gesundheit (Leiter: Prof. Dr. Gunther Moll), der Frauenklinik (Direktor: Prof. Dr. Matthias W. Beckmann) und der Psychiatrischen und Psychotherapeutischen Klinik (Direktor: Prof. Dr. Johannes Kornhuber) des Universitätsklinikums Erlangen jetzt zusammengefasst. Aus den Erkenntnissen lassen sich unterstützende Angebote für werdende Mütter ableiten.

Die erste Umwelt des Kindes, die lebenslang Einfluss auf dessen Entwicklung nimmt, ist die Umgebung im Mutterleib. Stressempfinden, depressive Symptome und Substanzkonsum von Frauen in der Schwangerschaft zählen zu den Risikofaktoren für die kindliche Entwicklung. Psychosoziale Belastungen sowie Giftstoffe haben gleichermaßen Einfluss auf die Anpassung des Fötus an die äußeren Bedingungen – ein Prozess, den Fachleute als fetale Programmierung bezeichnen. Um die Zusammenhänge zwischen den Risiken während einer Schwangerschaft und der Entwicklung des Kindes herzustellen, haben Forschende unterschiedlicher Fachdisziplinen eng zusammengearbeitet und ein längsschnittliches Studiendesign entwickelt, bei dem sie zu verschiedenen Zeitpunkten die Situation von Frau und Kind untersuchten: Die werdenden Mütter wurden in der Erlanger Frauenklinik für die Studie rekrutiert und hinsichtlich ihrer Risiken erfasst. Die Psychiatrische und Psychotherapeutische Klinik legte dabei den Fokus auf psychische Belastungen. Die Nachuntersuchung des dann geborenen Kindes erfolgte in unterschiedlichen Erhebungszeiträumen hinsichtlich seiner allgemeinen und psychischen Entwicklung in der Kinder- und Jugendabteilung für Psychische Gesundheit.

Familien bis zu 15 Jahre lang begleitet

Das Projekt Franconian Maternal Health Evaluation Study (FRAMES) startete 2005 als Kooperationsprojekt zwischen der Frauenklinik und der Psychiatrischen und Psychotherapeutischen Klinik mit 1.100 Frauen während ihres dritten Schwangerschaftstrimesters hinsichtlich ihres psychischen Befindens, Stresslevels und Substanzkonsums. Zudem wurden verschiedene Biomarker analysiert – dabei handelt es sich z. B. um biologische Merkmale in Gewebeproben, die objektiv bewertet werden können. Unter anderem wurden genetische Veränderungen in der maternalen DNA untersucht und der Zusammenhang mit dem Auftreten von Schwangerschaftserkrankungen und einem reduzierten kindlichen Geburtsgewicht analysiert. Von 2012 bis 2015, als die Kinder der FRAMES-Teilnehmerinnen im Grundschulalter waren, wurden 245 Mutter-Kind-Paare in der Kinderpsychiatrie im Rahmen der Folgestudie Franconian Cognition and Emotion Studies (FRANCES) nachuntersucht. Im Fokus standen Merkmale der kindlichen Entwicklung: etwa der allgemeine Entwicklungsstand in Form von Kognition, Sprache und Motorik als neuropsychologischer Marker, psychische Symptome wie die einer Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung, von Depression und Angst als klinische Marker, die hirnelektrische Aktivität im EEG als neurophysiologischer Marker sowie verschiedene neurobiologische Marker, die u. a. das biologische Stresssystem der Kinder (Cortisolkonzentration in Speichel und Haar) oder das Ausmaß der vorgeburtlichen Testosteronexposition abbilden. „Wir konnten Zusammenhänge zwischen dem Gesundheitsverhalten und dem psychischen Befinden der Mütter während der Schwangerschaft mit den Entwicklungsoutcomes der Kinder im Alter von sechs bis neun Jahren aufzeigen“, so Studienleiterin PD Dr. Anna Eichler von der Kinderpsychiatrie.

Selbstreflexion der Jugendlichen einbezogen

Von 2019 bis 2021 untersuchten die Forschenden die Gruppe der FRAMES-Teilnehmerinnen und deren FRANCES-Kinder erneut dank finanzieller Förderung durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung im Forschungsverbund IMAC-Mind sowie durch die Else-Kröner-Fresenius-Stiftung. Die Kinder waren mittlerweile im frühen Jugendalter (12 bis 14 Jahre). Insgesamt nahmen 186 Mutter-Kind-Paare an der Erhebungswelle FRANCES II teil. Neben der Erfassung der Ergebnisse aus dem Kindesalter wurden zusätzlich Entzündungsmarker im Kapillarblut gemessen und jugendspezifische Entwicklungen (z. B. Nutzung sozialer Netzwerke, Schlafhygiene, Substanzkonsum) erfasst. Diesmal beurteilten nicht nur die Mütter die Entwicklung ihrer Kinder, sondern die Jugendlichen konnten sich auch selbst einschätzen. Die Studie betont die Bedeutsamkeit pränataler Einflüsse für die lebenslange Gesundheit und damit, wie wichtig psychische und stressbezogene Themen während der Schwangerschaft mit Blick auf eine bestmögliche Unterstützung für die werdende Mutter sind.

Weitere Informationen:

PD Dr. Anna Eichler

09131 85-39123

anna.eichler(at)uk-erlangen.de